Von: “Pressestelle der Stadt Münster”

Von: “Pressestelle der Stadt Münster”
Datum: 20.02.2006, 16:15

AKTUELL

Grabungen im Adelshof abgeschlossen
Wertvolle Funde ausgewertet

Höxter. Anläßlich der Sanierung des Adelshofes in der Westerbachstraße wurden von Mai bis Oktober 2005 durch die Stadtarchäologie Untersuchungen auf den Grundstücken Nr. 33, 35 und 37 durchgeführt. Im Vordergrund des Interesses stand die Baugeschichte des Hauses Nr. 35 mit seinem steinernen, vor 1512 errichteten Hinterhaus (Steinkammer). Es ist der älteste Teil des ehemaligen Corveyschen Lehnshofes, der 1582 mit der Belehnung des Corveyschen Kanzlers Johann Heisterman für drei Jahrhunderte in Familienbesitz gelangte. Das Alter der Steinkammer konnte bisher noch nicht geklärt werden. Jedoch kann das Gebäude nach den bisherigen Erkenntnissen frühestens im 13. Jahrhundert errichtet worden sein (Die ältesten, in Höxter nachzuweisenden Steinhäuser entstanden in
der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mittelalterliche Steinhäuser sind in der Regel als Wohnstätten der städtischen Oberschicht anzusprechen).

Durch die archäologischen Untersuchungen wurden darüber hinaus weitere wichtige Details der Baugeschichte des steinernen Hinterhauses erschlossen. So befand sich ursprünglich an seiner östlichen Traufwand eine Abortanlage, von der sich im Erdreich ein großer, verfüllter Schacht aus Bruchsteinen erhalten hat. Die Entsorgungsanlage wurde wahrscheinlich bis zu dem umfassenden Umbau des Gebäudes in der Zeit um 1585 genutzt. Mit dem Umbau wurde in den ursprünglich mit einer hölzernen Deckenkonstruktion ausgestatteten Keller ein Tonnengewölbe eingestellt. Der Saal im Erdgeschoss erhielt eine aufwendige Pflasterung mit Rautenmustern aus Flusskiesen,
die bis zu einem weiteren Umbau des Hauses im Jahre 1784 belaufen wurde.
Außerhalb, nunmehr an der westlichen Traufwand, wurde ein neuer, ca. 8,5 m tiefer Abortschacht (Innendurchmesser 1,8 m) angelegt.
Die Verfüllung des steinernen Schachtes, die sich aus Fäkal-, Dämm- und Bauschuttschichten zusammensetzte, wies eine durchgängige Schichtenabfolge vom späten 16. bis ins späte 18. Jahrhundert auf. Derartige Anlagen wurden ebenfalls zur Entsorgung von Haushaltsabfällen genutzt. So gelangten beispielsweise während der etwa 200jährigen Nutzung mehrere Zentner zerbrochenen Geschirrs aus Glas und Keramik in den Schacht - ein für die Region bisher einzigartig hohes Fundaufkommen. Die Funde gewähren vielfältige Einblicke in den Alltag auf einem städtischen Adelshof. Für die
wissenschaftliche Erforschung der Sachkultur im Oberweserraum während der Renaissance- und Barockzeit handelt es sich hierbei zweifellos um einen Schlüsselkomplex.

Zu den herausragenden Fundstücken zählen zwei Schmuckstücke aus der Zeit um 1600 sowie ein vollständig erhaltener Dreibeintopf aus Buntmetall mit eisernem Henkel. Der goldene Fingerring und die goldene, aus drei Teilen zusammengesetzte Wirbelrosette, die als Schmuckelement auf ein Gewand aufgenäht war, sind mit farbigem Email und gefassten grünen Steinen (wahrscheinlich Glas) verziert. Die Frage, unter welchen Umständen sie während des Dreißigjährigen Krieges in den Abortschacht gelangten, regt
sicherlich nicht nur die Phantasie des Ausgräber an. Vergleichbar hochwertige Schmuckstücke treten bei Ausgrabungen im Bereich der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie nur äußerst selten zutage und sind als ein echtes Highlight zu bezeichnen. Ebenso verhält es sich mit dem aus einer Kupferlegierung gegossenen Dreibeintopf. Der ca. 10 kg schwere und ca. 6 l fassende Topf wurde am offenen Herdfeuer als Kochgeschirr genutzt und besaß einen nicht unerheblichen Materialwert. Auch er wurde in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in dem Schacht versengt. Die Restaurierungskosten für diesen außergewöhnlichen Bodenfund hat dankenmswerterweise die Familie von Ziehlberg übernommen.

Die Aufarbeitung der Ausgrabungsfunde vom Heisterman-von-Ziehlbergschen-Adelshof wird sich noch über einen längeren Zeitraum erstrecken. Erste Ergebnisse sollen am Ende dieses Jahres im Rahmen einer Sonderausstellung in den Räumen der Volksbank Paderborn-Höxter präsentiert werden. Zur Zeit werden die Keramikfunde aus den ältesten Verfüllungsschichten des Schachtes bearbeitet. Es handelt sich um Küchen- und Tafelgeschirr aus der Zeit um 1600.
Neben Gefäßen der regionaltypischen bemalten Irdenware (Weser- und Werraware) sticht besonders das importierte Trink- und Schenkgeschirr aus Steinzeug hervor. Diese Becher, Krüge und Kannen wurden vornehmlich aus rheinischen Töpfereizentren in Siegburg und im Raum Aachen / Raeren bezogen. Bisher selten in Westfalen zu belegen sind Importe sächsischen Steinzeuges aus Waldenburg (u.a. Humpen des späten 16. Jahrhunderts mit plastischen Apostelauflagen - Markus, Andreas, Jakobus d. Ä. und Judas Thaddäus). Die
Restaurieung erfolgt teilweise ehrenamtlich durch die Mithilfe von Dieter Siebeck vom Heimat- und Verkehrsverein.
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