Newsletter LWL:WWU Münster graben auf einem

Von: “Pressestelle der Uni Münster”

Datum: 15.05.2007, 11:26AKTUELL

Immer wieder Mittelpunkt der frühen Menschen
Ur- und Frühgeschichtler der WWU Münster graben auf einem
Feld bei Nottuln

Vor 6000 Jahren wurden auch die Menschen in Westfalen sesshaft.
Sie lebten nicht mehr zufällig von dem, was sie sammelten und
jagten, sondern begannen, vorausschauend zu leben und kleine
Siedlungen zu bilden. Eine dieser Siedlungen findet sich auf
einem Feld bei Nottuln-Uphoven im Landkreis Coesfeld. Untersucht
wird es derzeit gemeinsam von der Abteilung für Ur- und
Frühgeschichtliche Archäologie des Historischen Seminars der WWU
Münster zusammen mit dem Westfälischen Amt für
Bodendenkmalpflege und Landesmuseum des LWL im Rahmen des
DFG-Projektes “Neolithisierungsprozesse in Nordwestdeutschland:
Tradition, Innovation und Adaption zwischen 6000 und 3500 vor
Christus”. Grabungsleiter ist der Doktorand Christian Groer.

Die Stelle ist aus früheren Untersuchungen des damals noch
eigenständigen Seminars für Ur- und Frühgeschichte zusammen mit
dem Institut für Geophysik bekannt. Hauptaugenmerk einer
geomagnetischen Untersuchung 2003 und 2004 war ein Graben, der
für eine neolithische Befestigung, ein so genanntes Erdwerk,
eine beachtliche Breite von 7,5 Metern besaß. Im März dieses
Jahres konnten die Forschungen fortgesetzt werden: “Ich wollte
den Graben eigentlich nur wiederfinden, aber dank des
Bodenradars konnten wir so präzise vorgehen, dass wir ihn gleich
gefunden haben und weitergraben konnten”, erzählt Groer. Mit
vier Studierenden konnte er innerhalb von drei Wochen auf einer
Fläche von zwei mal zehn Metern bis in eine Tiefe von 1,70 Meter
vorstoßen. Über 150 Funde brachten sie in dieser Zeit zu Tage.
Viele Feuersteine sind dabei, aber auch Keramiken, die eine
genaue zeitliche Einordnung erlauben.

So gehören die ältesten Funde aus der Zeit um 4500 vor unserer
Zeitrechnung zu den ältesten neolithischen Kulturen in
Norddeutschland. In Süddeutschland waren die Menschen rund 1500
Jahre zuvor in agrarisch geprägten Siedlungen sesshaft geworden.
In Nottuln-Uphoven sind Keramik-Bruchstücke der so genannten
Michelsberger-Kultur zu finden, die hier um 4000 vor Christus
ansässig wurde, dann Fundstücke aus der Trichterbecher-Kultur,
rund 1000 Jahre jünger. Im fortgeschrittenen Neolithikum
explodierte die Kultur der Menschen, sie lernten beispielsweise,
mit dem Pflug die Felder zu bearbeiten und erfanden das Rad.

“Nottuln war offensichtlich einer der frühesten Vorposten für
Ackerbauern im Norden”, ist Groer sicher. “Aber ob hier
ununterbrochen Menschen lebten, wozu der Graben genutzt wurde,
wie die Siedlung ausgesehen haben mag, das können wir alles noch
nicht sagen.”

Die lockeren Trockenböden sind gut durchlüftet, Organisches
bleibt über so einen langen Zeitraum oft nicht erhalten.
Holzhäuser, wenn es sie denn gegeben hat, sind längst zerfallen,
Knochen haben sich aufgelöst. Eine Schutzfunktion, das vermutet
Groer, wird der Graben, dessen Verlauf über 200 Meter zu
verfolgen ist, bevor er an beiden Enden in einem Waldstück
verschwindet, nicht gehabt haben. “Der innere Teil der Anlage,
mit seinen Siedlungsspuren wie Hütten und Gruben, liegt nicht
nach oben, sondern nach unten, der Stever, zu”, erklärt Groer.
“Damit bietet der Graben keine Sicherheit für ein Dorf.” Eine
Erklärung dafür ist nicht einfach. Welchen Anreiz hatten die
Menschen, sich an dieser Stelle immer wieder anzusiedeln?

Das möchte Groer in den kommenden zwei Jahren klären, ebenso wie
die Frage, wann und warum die Menschen im Münsterland begannen,
sesshaft zu werden. Ob sie nun aus Süddeutschland über das
Rheingebiet und die Hellwegzone einwanderten oder ob die
ansässigen Jäger und Sammler aus eigenem Entschluss den Ackerbau
erlernten, ist umstritten. Dass es Kontakte und einen Austausch
auch zwischen weit auseinanderlebenden Menschen gegeben haben
muss, ist klar. So fand Groer ein Arbeitsgerät aus einem
Feuerstein, der aus Belgien importiert wurde.

In den folgenden Kampagnen der Jahre 2007 und 2008 werden
weitere durch die Geophysik erschlossene auffällige Strukturen
mit Hilfe einer weit größeren Mannschaft ergraben. Einbezogen
ist bereits jetzt das Institut für Landschaftsökologie zur
Rekonstruktion der alten Umwelt. Weiter vorgesehen sind
Untersuchungen zur frühen Tier- und Pflanzenwelt dieser
wichtigen Umbruchszeit.

INFO

Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie
URL: http://www.uni-muenster.de/UrFruehGeschichte
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